Stell dir vor, du arbeitest in einem Unternehmen, das tagtäglich mit Daten umgeht. E-Mails, Verträge, technische Zeichnungen, Kundendaten, Angebote – alles Dinge, die in digitalen (oder auch analogen) Systemen entstehen, verarbeitet oder verschickt werden. Und dann kommt jemand aus der IT-Sicherheit und sagt: “Wir müssen unsere Informationen besser schützen.”
Klingt erstmal sinnvoll. Aber dann kommt die Frage, die alle zum Verstummen bringt: Welche Informationen sind eigentlich schützenswert?
In diesem Artikel erfährst du, was Informationsklassifizierung bedeutet und wie du sie effektiv anwendest.
Was bedeutet „schützenswert“ eigentlich im Kontext der Informationsklassifizierung?
Nicht jede Information braucht den gleichen Schutz. Die Notiz, dass der Kühlschrank im Pausenraum wieder mal leer ist, ist sicher weniger kritisch als die Konstruktionsdaten für ein neues Fahrzeugmodell oder eine Kundenliste mit Preisen und Ansprechpartnern.
“Schützenswert” bedeutet im Rahmen der Informationsklassifizierung: Welche Auswirkungen hätte es, wenn Unbefugte auf die Information zugreifen, sie verändern oder gar löschen könnten? Die drei klassischen Schutzziele sind dabei:
Vertraulichkeit (Confidentiality): Niemand darf etwas sehen, der nicht die Berechtigung hat.
Integrität (Integrity): Die Information muss korrekt und unverändert sein.
Verfügbarkeit (Availability): Sie muss da sein, wenn sie gebraucht wird.
Je nachdem, um welche Information es geht, steht eines der Ziele mehr im Vordergrund.
Warum Informationsklassifizierung oft unterschätzt wird
Viele Unternehmen denken beim Thema Informationssicherheit sofort an Hackerangriffe oder Verschlüsselung. Aber bevor man irgendetwas sichert, sollte man wissen, was überhaupt zu sichern ist.
Ohne ein klares Bild davon, welche Informationen kritisch sind, droht eine von zwei Extremen:
Entweder wird alles gleich stark geschützt – was teuer, unpraktisch und oft unnötig ist
Oder es wird gar nicht gezielt geschützt – was Risiken Tür und Tor öffnet
Das Ziel ist also, Informationen gezielt und risikoorientiert zu schützen. Hier kommt die Informationsklassifizierung ins Spiel.
Der erste Schritt zu mehr Sicherheit: Informationsklassifizierung einführen
Die Grundlage jeder effektiven IT-Sicherheitsstrategie ist die Informationsklassifizierung. Dabei wird systematisch ermittelt, welche Informationen im Unternehmen vorhanden sind und welchen Schutzbedarf sie jeweils haben.
Hier eine typische Klassifizierungsskala:
Öffentlich / Unkritisch: Kann jeder sehen. Zum Beispiel eine Pressemitteilung.
Intern / Betriebsintern: Sollte nicht nach außen gelangen, aber kein Drama, wenn es passiert.
Vertraulich: Nur bestimmte Personen dürfen das sehen. Ein Verlust wäre schmerzhaft.
Streng vertraulich / Geheim: Höchster Schutzbedarf. Offenlegung könnte massive Auswirkungen haben.
Diese Kategorien lassen sich an das eigene Unternehmen anpassen – wichtig ist, dass eine einheitliche Informationsklassifizierung entsteht.
Praxisbeispiel: Informationsklassifizierung bei einem Automobilzulieferer
Ein Mittelständler in der Zulieferkette liefert Bremssysteme. Dort gibt es verschiedene Arten von Informationen:
Technische Zeichnungen und Spezifikationen (“vertraulich” oder “streng vertraulich”)
Kundenlisten und Ansprechpartner (“vertraulich”)
Marketingmaterial (“intern”)
ISO-Zertifikate (“öffentlich”)
Ein Verlust der Zeichnungen wäre fatal. Marketingfolien? Weniger schlimm.
Informationen erkennen, bewerten und klassifizieren – so geht’s
Jetzt wird’s spannend. Wie findet man heraus, welche Informationen welchen Schutzbedarf haben? Hier eine schrittweise Anleitung zur Einführung von Informationsklassifizierung:
1. Informationen identifizieren
Zuerst braucht man einen Überblick: Welche Arten von Informationen gibt es überhaupt? Typische Kategorien:
Produktdaten
Kundendaten
Lieferantendaten
Mitarbeiterinformationen
Forschung & Entwicklung
Finanzen & Controlling
Verträge & juristische Dokumente
Systemeinstellungen, Passwörter
Ein Workshop mit Fachabteilungen kann hier sehr hilfreich sein. Ziel ist ein praktikables Bild der Informationslandschaft.
2. Schutzbedarf und Risiko bewerten
Dann stellt man für jede Informationsart die Frage: Was wäre, wenn…
… sie in die Hände eines Mitbewerbers fiele?
… sie verändert würde?
… sie gelöscht oder nicht mehr auffindbar wäre?
Daraus ergibt sich der Schutzbedarf. Dabei hilft es, in Schadensszenarien zu denken: Imageverlust, Umsatzeinbußen, rechtliche Konsequenzen, Produktionsstillstand etc.
3. Klassifizierungskriterien definieren
Nun wird jeder Informationsart eine Schutzklasse zugewiesen. Wichtig: Das sollte transparent, dokumentiert und nachvollziehbar erfolgen. Idealerweise gibt es Vorlagen oder Kriterienkataloge.
4. Informationen kennzeichnen und umsetzen
Informationen müssen entsprechend gekennzeichnet werden – durch Dateinamen, Wasserzeichen, Metadaten oder spezielle Tools. Weitere Maßnahmen:
Zugriffsbeschränkung nach Rollenprinzip
Verschlüsselung sensibler Daten
Protokollierung und Nachvollziehbarkeit
Sicherung mobiler Endgeräte
Aufbewahrungs- und Löschkonzepte
Häufige Fehler bei der Informationsklassifizierung
1. Alles ist „streng vertraulich“
Manche Fachbereiche wollen auf Nummer sicher gehen und stufen alles als „streng vertraulich“ ein. Das führt zu unnötiger Belastung.
Tipp: Mit Beispielen und klaren Kriterien arbeiten, um Überklassifizierung zu vermeiden.
2. Fehlendes gemeinsames Verständnis
Ohne einheitliche Begriffe und Definitionen entsteht Chaos. Schulungen und klare Dokumentation helfen.
3. Keine Integration in den Arbeitsalltag
Die Klassifizierung darf kein Papiertiger sein. Sie muss in Tools, Prozesse und das Bewusstsein der Mitarbeitenden eingebunden sein.
Informationsklassifizierung als Grundlage für Schutzmaßnahmen
Die Klassifizierung ist kein Selbstzweck. Sie ist die Basis für gezielte Sicherheitsmaßnahmen, zum Beispiel:
Zugriffsbeschränkungen (RBAC)
E-Mail- und Dateiverschlüsselung
Protokollierung von Zugriffen
Backup-Strategien
Mitarbeiterschulungen zur Informationssicherheit
Nur wer weiß, was kritisch ist, kann Ressourcen sinnvoll einsetzen.
Fazit: Informationsklassifizierung schafft Klarheit und Fokus
Wenn du nur eine Sache aus diesem Artikel mitnimmst, dann bitte diese: Bevor du Sicherheit baust, musst du wissen, was du schützen willst. Und das geht nur über eine strukturierte Bewertung und Informationsklassifizierung der Unternehmensdaten.
Dabei geht es nicht um Bürokratie, sondern um Klarheit, Fokus und Wirksamkeit. Gute Informationsklassifizierung hilft, Risiken gezielt zu reduzieren und Sicherheit als echten Geschäftsvorteil zu gestalten.
Und wer weiß – vielleicht ist der Hinweis auf den leeren Kühlschrank ja doch sensibler, als man denkt 😉